
Die ersten Lebensjahre
Du wird geboren, ungefragt und hart und kalt. Irgendwann bist du da, nimmst dich selbst und deine Umwelt, deine Eltern und Mitmenschen in einer Art Tunnelblick wahr, versuchst einzusortieren was das ist, das Leben, das Sein, das Drumherum, die anderen Menschen, die Dinge.
Du beginnst, „deine“ Welt zu bereifen und sie zu akzeptieren, unwissentlich dass die Welt doch so viel größer und vielfältiger ist als das, was man als neuer Mensch sieht, hört, fühlt und erfährt.
Noch ist deine Sicht auf die Welt sehr begrenzt, fast so als würdest du durch eine leere Küchenpapierrolle schauen, der berühmte Tunnelblick – du siehst nur das wesentliche!
Jeden Tag kommt etwas neues hinzu. Ein neuer Mensch, vielleicht ein Tier, Töne und Geräusche, neue Farben, neue Laute und Stille. Das alles muss verarbeitet, kennengelernt und abgespeichert werden. Immer wiederkehrende Muster, Gesichter, Dinge und Prozeduren sind nun nicht mehr neu sondern vertraut. Mutter, Vater, das eigene Bettchen, der Löffel mit dem Essen das Spielzeug mit der Musik – alles hast du schon kennengelernt und für gut befunden da es immer mit etwas schönem verbunden war.
Du erfährst Liebe und Zuneigung, Wärme und Geborgenheit, ein wohliges Gefühl ein „deiner Welt“. Du konzentrierst dich darauf immer mehr Neues zu entdecken und immer mehr der unbekannten Welt zu erobern und deine eigene Welt zu erweitern. Nicht aus Habgier sondern aus Interesse. Dein Interesse ist jetzt eine Sucht, du weisst nicht warum aber alles was du kennst, was in deinem Universum schon bekannt ist, was du einsortiert hast ist nun nicht mehr so interessant. Alles Neue dagegen zieht dich an, du willst es wissen, erfahren, spüren und erleben. Egal ob gut oder schlecht. Du wächst buchstäblich mit jeder neuen Erfahrung und je mehr du wächst desto größer wird dein Hunger nach noch mehr Neuem und alles Unbekannte ist wie ein Magnet.
Nun kommt deine Mobilität in Gang, du lernst deine Beine und Arme, deine Hände und Füße einzusetzen, lernst das du damit deine Position verändern kannst und begreifst, dass durch diese Ortsveränderung sich auch der Rand deiner Welt schnell erweitern lässt. Immer noch mehr Neues kommt in dein Blickfeld, eine unerschöpfliche, grenzenlose Informationsquelle liegt dir nun buchstäblich zu Füßen. Du krabbelst, rollst, gehst und ziehst dich hoch, du fällst und stehst wieder auf. Zu groß ist Neugier, die Sucht nach mehr Information. Du sammelst die ersten schlechten Erfahrungen deiner neuen Welt. Die heisse Herdplatte ist böse, sehr böse. Die Blumen auf dem Tisch sind hübsch bunt, schmecken aber scheusslich, auf den Sessel zu klettern ist toll, am anderen Ende runter zu fallen ist schmerzhaft und böse. Die friedliche, liebe Schmusekatze ins Fell zu zwicken zieht sofortige böse Reaktion nach sich. Und noch etwas zeigt sich in dieser Phase – Tränen schmecken salzig und Mutti macht alles wieder gut.
Die Pubertät (die kleinen Revoluzzer)
Nachdem die ersten 10 Jahre quasi als Lehrjahre des Lebens herhalten mussten, kommst du nun in eine Ära deines Lebens, in der du emotional laufen lernst, in der du „flügge“ wirst, wie es im Tierreich heisst. Du nabelst dich ab von deinem „Nest“, von der sicheren Umgebung deiner Familie. Längst schon bist du in der Schule und hast viele neue Menschen kennengelernt, hast gelernt, dass es Hierarchien gibt, zum Beispiel Lehrer auf die du hören sollst, Erwachsene, die du respektieren musst, aber auch Gleichaltrige die vielleicht stärker sind als du und denen du dich dann unterordnen musst. So viele neue Facetten der sozialen Kommunikation, des Miteinander und Gegeneinander und keiner der den Königsweg weist. Den musst du selber für dich finden und erfahren. Du lebst in einer Zeit der Konfrontation und Erkenntnis. Nicht allein was die Eltern oder die Lehrer sagen prägt dich nun, sondern auch die Meinungen und das Verhalten deiner Freunde und Mitschüler. Du sortierst dich ein, willst irgendwo dazugehören, schließt dich einer Gemeinschaft an und übernimmst dessen Werte, stellst aber gleichzeitig diese auch in Frage, willst sie vielleicht verändern oder erweitern. Es ist auch die Zeit in der du ebenso häufig auf Ablehnung triffst. Bestehende Werte zu hinterfragen oder zu ändern macht dich nicht sympathisch eher das Gegenteil ist der Fall. Vielleicht suchst du weiter bis schließlich eine Umgebung, ein soziales Umfeld mit deiner Einstellung, deinen Vorstellungen übereinstimmt und du integrierst dich. Oder aber du versuchst dich in manchen Dingen als Einzelgänger und Vorreiter. Du hast alle Möglichkeiten und wenn du das begreifst und die Chancen für dich nutzt, kannst du viel erreichen – nur weisst du es noch nicht. In deinem Kopf ist ein Feuerwerk und die Möglichkeit erschlagen dich. Aber du hast Zeit und jeden Tag wächst deine Erfahrung und dein Weltbild formt sich immer detailreicher.
15-25 Jahre – die „Hoch-Zeit“ des Lebens
Jetzt bis du in einer Dekade deines Lebens, die Prägsamer nicht sein kann. Deine Weltanschauung, dein Musikgeschmack, deine Hobbys – alles hat seine Wege gefunden und werden gefestigt. Die Musik, die du heute hörst, wird dich den Rest deinem Lebens begleiten. Irgendwann wird diese Musik zu den Evergreens, den Oldies gehören und du wirst aber immer noch Gänsehaut bekommen und von der guten alten Zeit sprechen, wo Musik noch Musik war.

Mit anderen Dingen aus dieser Zeit wird es nicht viel anders sein. So sind die ganz banalen Dinge, wie zum Beispiel die bunten zweifarbigen Spiralen die man sich um die Bowdenzüge seines Bonanzarades gewickelt hat oder der berühmte „Datschwecken“, ein Negerkuss in einem Brötchen, jenes Retro-Utensil, das dich später immer wieder triggern wird. Es gibt hunderte solcher Triggerpunkte die dich immer wieder für einen kurzen Moment in diese Zeit zurückversetzen.
Peak des Lebens ist erreicht
Du wirst es nicht wissen, nicht merken oder spüren, aber du hast gerade die beste Zeit deines Lebens. Vielleicht nicht in allen Bereichen, aber du bist oben, auf dem Gipfel und solltest es eigentlich genießen, denn es wird nun bergab gehen. Keine Sorge, es ist nicht Hälfte deines Lebens, welche du hinter dir hast, sondern die Hälfte deiner Kurve des Lebens:

Denn was jetzt folgt, sind die funktionellen Jahre. Arbeit, Familie, Hausbau. Ständig bemüht, die Existenz zu erhalten und sicher zu stellen. Kapital aufzubauen, für das Alter vorzusorgen. Es tritt so eine Art Alltag in dein Leben. Du hast Hobbys, du planst Urlaube und denkst über Anschaffungen aller Art nach, egal ob die Einrichtung der Wohnung, ein neues Auto oder vielleicht ein Wohnmobil. Es gibt ständig irgendwas. Aber es geht trotzdem schon stetig bergab. Unbemerkt, schleichend und sanft und natürlich begleitet von „Comfortably numb“ oder „Stairway to heaven“ und „we will rock you“.
Vielleicht hast du es hier und da schon gemerkt, daß manches nicht mehr so ist wie es mal war. Der Muskelaufbau geht nicht mehr so schnell, der Fettaufbau dagegen wie von Geisterhand. Die Arztbesuche häufen sich auch langsam und der innerliche Antrieb scheint irgendwie schwerfälliger zu sein als du es in Erinnerung hast. Du wirst es aber verdrängen und es eine vergänglichen Phase zuordnen!
Und während es so sanft und leise aber stetig nach unten geht, wird es deutlicher, sobald das Rentenalter erreicht ist. Dann wird dich die Realität einholen, dann wirst du merken dass du nun schon zum alten Eisen gehörst. Du wirst es aber bestreiten, vehement, denn es kann nicht sein was nicht sein darf!
Plötzlich, nach über 45 Jahren im Berufsleben, nach all dem Stress und dem Ackern ist es auf einmal vorbei! „Danke, du kannst gehen, wir brauchen dich nicht mehr, genieße deinen Ruhestand!“ werden sie sagen und sie werden dich stehen lassen. Komm damit klar!